Wissenswertes über den Tragschrauber/Gyrocopter

Ein Tragschrauber, auch Autogyro, Gyrokopter oder Gyrocopter genannt, ist ein Drehflügler, der in seiner Funktionsweise einem Hubschrauber ähnelt.

Er hat, wie der Hubschrauber, einen Rotor, dieser ist aber während des Fluges nicht mit dem Motor verbunden, sondern wird nur durch den Fahrtwind in Drehung versetzt. Diesen Zustand nennt man Autorotation. Der Auftrieb ergibt sich dabei durch den Widerstand des sich drehenden Rotorblatts bei nach hinten geneigter Rotorfläche. Der Vortrieb erfolgt, wie beim Flächenflugzeug, durch ein Propellertriebwerk.

Tragschrauber sind interessant für Anwendungen, bei denen geringe Geschwindigkeiten erwünscht, aber Senkrechtstart und -landung nicht notwendig sind. Vorteile sind dabei die Überziehsicherheit (d. h. ein Strömungsabriss wie bei zu langsam fliegenden Flächenflugzeugen ist nicht möglich), die geringen Bau-, Wartungs- und Betriebsmittelkosten im Gegensatz zum Hubschrauber, das geringe Gewicht und der geringe Platzbedarf sowie die relativ einfache Erlernbarkeit der Bedienung.

Technik

Der Antrieb erfolgt meist durch Kolbentriebwerke und Propeller. Der Rotor ist an einem Mast befestigt. Ein Schlaggelenk, das eine Bewegung des Rotorblatts nach oben oder unten zulässt, ist zentrales Merkmal eines Tragschraubers. Eine Taumelscheibe wie beim Hubschrauber wird nicht benötigt; zur Steuerung wird der komplette Rotor über zwei Kippgelenke gesteuert (Kopfkippsteuerung). Zusätzlich wird ein herkömmliches Seitenruder wie beim Flächenflugzeug zur Steuerung benötigt.

Tragschrauber benötigen nur eine sehr kurze Startrollstrecke von wenigen Metern bis etwa 100 m.

Die Landerollstrecke liegt zwischen 0 und einigen 10 m. Zur Verkürzung der Startstrecke wird der Rotor vor dem Start durch den sog. Prärotator auf die Startdrehzahl beschleunigt.

Die Autorotation kommt dadurch zustande, dass das Rotorblatt im inneren Bereich der Rotorebene einen so hohen Anstellwinkel hat, dass eine das Blatt beschleunigende Kraft resultiert. Im äußeren Durchmesser hingegen bremst die Resultierende das Blatt. Diese Kräfte sind im stationären Flug im Gleichgewicht. Erhöht man den Anstellwinkel der Rotorebene, verschiebt sich die Grenze zwischen beschleunigendem Bereich und abbremsendem nach außen, es entsteht ein Ungleichgewicht zugunsten der Beschleunigung, ergo: der Rotor erhöht seine Drehzahl. So wird verständlich, wie der Tragschrauberrotor stets automatisch die nötige Rotordrehzahl einnimmt, um die Maschine zu tragen.

Startvorgang

  • Der Tragschrauber steht in Startposition auf der Startbahn.
  • Die Vorrotation wird bis zu einer Rotordrehzahl von ca. 200 Umdrehungen pro Minute durchgeführt.
  • Durch ziehen am Steuerknüppel, der über Steuerstangen oder Push/Pull Cable mit dem Rotorkopf verbunden ist, wird der drehende Rotor nach hinten geneigt.
  • Die drehende Rotorfläche bildet dabei einen Winkel zur Startbahn von ca. 50°.
  • Der Vorrotationmechanismus wird jetzt ausgekuppelt, bzw. deaktiviert.
  • Die Drehzahl des Motors wird nun auf annähernd volle Leistung gebracht.
  • Der Tragschrauber fängt an sich vorwärts zu bewegen. Durch die Vorwärtsbewegung bildet sich ein Luftstrom von unten durch die drehende Rotorfläche hindurch und die Drehzahl des Rotors erhöht sich. Bei ca. 340 bis 380 Rotorumdrehungen pro Minute (abhängig von Typ und Gewicht des Tragschraubers) fängt der Tragschrauber an den Boden zu verlassen.
  • Bei einer Geschwindigkeit von ca. 45-70 km/h wird der Tragschrauber „leicht“. Als erstes hebt das Bugrad ab. Dies wird durch leichtes Nachdrücken des Steuerknüppels nach vorne dicht über dem Boden gehalten. Wenigen Sekunden später löst sich das Hauptfahrwerk vom Boden und der Tragschrauber fliegt.
  • In Bodennähe wird nun bis auf eine Geschwindigkeit von ca. 100 km/h beschleunigt. Ist diese erreicht, wird durch sanftes Ziehen des Steuerknüppels in den Steigflug übergegangen.

Sicherheit und Stabilität

Da der Rotor nur durch den Luftstrom angetrieben wird, ist kein kompliziertes Getriebe wie beim Hubschrauber notwendig. Der Antriebsausfall ist ebenfalls relativ unkritisch. Tragschrauber haben keine Mindestgeschwindigkeit und können somit nicht in einen überzogenen Flugzustand geraten. Bei sehr langsamen Fluggeschwindigkeiten geht der Tragschrauber lediglich in einen leichten Sinkflug über, der durch Fahrtaufnahme und Erhöhung der Motorleistung wieder ausgeglichen werden kann. Das war auch die Motivation des Erfinders Juan de la Cierva. Der richtige Umgang mit diesen Fluggeräten muss trotzdem gut geschult werden, denn negative Anstellwinkel sind nicht zulässig, da sie – ähnlich wie zu große Anstellwinkel bei anderen Fluggeräten – zu einem kritischen Flugzustand führen können. Negative Anstellwinkel werden durch starkes Drücken am Steuerknüppel erreicht, was zu einer Anströmung des Rotors von oben führen würde; gleichzeitig hohe Vortriebsleistung verstärkt den negativen Effekt.

Tragschrauber im Vergleich zu Hubschrauber und Flugzeug

Vorteile eines Tragschraubers sind:

  • Wartung und Betrieb eines Hubschraubers sind wegen der komplizierteren Mechanik ca. Faktor 10 teuer wie die Unterhaltung eines Tragschraubers.
  • Die Bauart eines Tragschraubers ist viel simpler als die des Hubschraubers, denn bei diesem muss neben dem Haupt- auch der Heckrotor mit einer relativ aufwändigen Übertragung angetrieben werden. Die zyklische und kollektive Blattsteuerung des Hubschraubers ist ebenfalls weitaus aufwändiger als die bei kleinen Gyrocoptern übliche Kopfkippsteuerung. Bei größeren Tragschraubern nimmt die Komplexität der Rotoranlage zu, erreicht aber meist nicht den Komplexitätsgrad von Hubschraubern.
  • Anders als beim Hubschrauber ist der Ausfall des Antriebs relativ ungefährlich. Der Hubschrauber muss bei Motorausfall erst in den Autorotationszustand gebracht werden, deshalb gilt die Notlandung hier als schwieriges Manöver. Der Tragschrauber dagegen befindet sich ständig in Autorotation, dadurch entfällt die beim Hubschrauber entstehende Umschaltzeit, in der der Hubschrauberrotor an Drehzahl verliert.
  • Der Tragschrauber kennt keinen Strömungsabriss wegen zu geringer Fahrt, da die Drehzahl des Rotors wichtiger ist als die Vorwärtsfahrt. Im Vergleich mit Flugzeugen kann der Gyrocopter eine kürzere Startstrecke und eine bei weitem kürzere Landerollstrecke von nur zehn Metern haben. Die geringe Fahrt beim Landen macht auch die Notlandung ungefährlicher als bei Flächenflugzeugen, da sich die Landerollstrecke extrem verkürzt. Auch sind steilere Anflüge möglich.
  • Der Tragschrauber ist einfacher zu beherrschen als ein Hubschrauber und nicht wesentlich schwieriger zu fliegen als ein Flugzeug.
  • Der Tragschrauber ist, anders als der Hubschrauber und das Flächenflugzeug, sehr unempfindlich gegen Turbulenzen und fliegt daher ruhiger als Flächenflugzeuge, insbesondere als Ultraleicht-Flächenflugzeuge.
  • Der Platzbedarf im Hangar ist geringer als bei Flugzeugen.

Nachteile:

  • Im Gegensatz zum Hubschrauber kann ein Tragschrauber nicht auf der Stelle schweben und in der Regel nicht senkrecht starten und landen (nur bei starkem Wind und geringem Abfluggewicht).
  • Der Leistungsbedarf ist im Vergleich zu Flugzeugen bei gleicher Masse höher. Tragschrauber sind in diesem Punkt etwa gleichwertig mit Hubschraubern.

Geschichte der Tragschrauber

Als Erfinder des Tragschraubers gilt der Spanier Juan de la Cierva im Jahre 1923.

Cierva-Tragschrauber, 1930

Erfunden wurde der Tragschrauber von dem Spanier Juan de la Cierva, der sein Fluggerät Autogiro nannte. Nachdem ein von ihm entwickelter Bomber abgestürzt war, der in einen überzogenen Flugzustand geriet, entwickelte er ein Fluggerät, bei dem das nicht auftreten kann. 1920 begann er mit „rotierenden Flügeln“, wie er sie nannte, zu experimentieren. Das Resultat war der erste erfolgreiche Flug eines Autogiro, des C4, am 9. Januar 1923 in Getafe, Spanien. Es folgten 1925 der C.6 und 1928 der C.8, wobei dem Entwickler wesentliche Lösungen zur Stabilisierung des Rotors eines Drehflüglers gelangen, die später auch bei Hubschraubern genutzt wurden, so z. B. die Schlaggelenke.

Ende der 1920er Jahre gab es einen Autogiro-Boom. Harold Pitcairn und sein Kollege Walter Kellett gründeten nach Lizenzierung durch de la Cierva in den USA eine Firma zur Herstellung von Tragschraubern. Sie belieferten das US Post Office mit ihren Produkten. Mit der Rezession brach dieses Geschäft jedoch ein.

Focke-Achgelis Fa 330

In dieser Zeit wurden Tragschrauber auch in Großbritannien (besonders Cierva in enger Kooperation mit Avro), Deutschland (insbesondere Focke-Wulf), der Sowjetunion (ZAGI) und Frankreich (SNCASO) entwickelt.

Avro 620 von 1932

Nach de la Ciervas Tod 1936 konnten andere auf seine Erfolge aufbauen und die Entwicklung des Hubschraubers vorantreiben. In Frankreich wurde der Gyroplane-Laboratoire von Louis Bréguet und René Dorand weiter entwickelt, so dass man 1937 bei Probeflügen, die von dem Ingenieur und Piloten Claysse überwacht wurden, neue Weltrekorde aufstellen konnte.

Quelle: http://de.wikipedia.org